Schüler der KGS Schneverdingen spielen eine Stadtratssitzung mit allem drum und dran durch
Von Philipp Hoffmann
Schneverdingen. Braucht die Kooperative Gesamtschule (KGS) Schneverdingen wirklich eine neue Turnhalle, wie es die Frak- tion 10u beantragt hat, oder reicht auch eine Renovierung der alten aus? Schulausschuss- vorsitzender Hans Jürgen Thömen versucht, zwischen den Befürwortern und Gegnern des Vorschlags zu vermi eln. Denn ein Neubau, so gibt der Schne- verdinger SPD-Politiker zu bedenken, wäre sicherlich teuer, und ob das Geld dafür da sei, sehr zweifelhaft. Erst einmal sollten aber konkrete Zahlen auf den Tisch, regt Thömen an. „Kriegt das die Verwaltung bis Oktober hin?“, wendet er sich an Lea Schwecken- diek neben ihm. Die kann sich ein Lächeln nicht verkneifen, nickt dann aber zustimmend.
Thömen ist wirklich Vorsitzender eines Schneverdinger Ausschusses, wenn auch nicht des Schulausschusses, Schweckendiek jedoch keinesfalls Mitarbeiterin der Stadtverwaltung, sondern des Verein „Politik zum Anfassen“ aus Hannover. Der hat eine 9. und zwei 10. Klassen der KGS am gestrigen Freitag zum Planspiel „Pimp your town“ (Motze deine Stadt auf) eingeladen. Für einen Tag bilden sie den Schneverdinger Stadtrat, mit allem, was dazu gehört: Ausschüsse, Fraktionssitzungen, Plenum. „Echte“ Ratsleute sind mit dabei. Eine weitere 10. Klasse begleitet den Tag als Presseteam.
Was in Ausschüssen und Rat beraten wird, haben die Schüler eine Woche zuvor erarbeitet. Jede Klasse stellte 15 Anträge zusammen. Die 10u hatte eine originelle Idee, wie man die Wahlbeteiligung ankurbeln könnte: Jeder Bürger bekommt nach der Wahl Kuchen.
Im Ausschuss für Demokratie und Beteiligung kommt der Vorschlag dann aber gar nicht so gut an. Dadurch würden die Wahler- gebnisse verfälscht, argumentiert Neuntklässler Nick. Die Leute würden nur wählen gehen, um Kuchen zu bekommen, und einfach irgendwas ankreuzen. Sein Klassenkamerad Connor sieht darin sogar so etwas wie Bestechung. Eike aus der 10u verteidigt den Antrag seiner Fraktion leidenschaftlich: „Es wäre doch so schön, sich nach dem Wählen noch zusammenzusetzen und Kuchen zu essen.“ Das sieht nicht jeder so: Der Antrag wird abgelehnt.
18 Anträge schaffen es in die Stadtratssitzung
Dennoch gehört die Kuchen- Idee zu den 18 Anträgen, die es am Ende in die Stadtratssitzung schaffen. Dort wird noch einmal sehr lebhaft darüber diskutiert – der Vorschlag aber wieder verworfen. Mehrheitliche Zustimmung findet hingegen der Antrag der Fraktion 9l, in Schneverdingen eine Disco einzurichten. Die 10u ist mit ihrem Wunsch, das Quellenbad um Rutschen und Sprungtürme zu erweitern, erfolgreich. Angenommen wird auch die Initiative der 10s für bessere und preiswertere Busverbindungen im Umkreis Schneverdingens.
Jungen Leuten Lust auf Kommunalpolitik zu machen, ist das Ziel des Vereins. Acht Schulen in Niedersachsen haben die elf Mit- arbeiter besucht, als einzige im Heidekreis die KGS Schneverdingen.
Beim Schülerrat kommt die Idee an. „Wir finden das Projekt sehr gut“, sagt Schülersprecherin Jennie. „Als Jugendlicher kriegt man sonst nicht so viel von Politik mit. Jetzt sind wir perfekt auf die Wahl vorbereitet.“ Die 17-Jährige gehört zu den Erst- wählern. Vorher habe sie nicht gewusst, wen sie wählen solle, gesteht sie. Nach „Pimp your town“ und der Podiumsdiskussion an der KGS zur Kreistagswahl wissen sie es.
Auch andere Schüler sind angetan. „Ich finde es schön, dass sich die Politiker für uns Zeit genommen haben“, sagt Udo. Eike fand es spannend, mal zu erleben, wie eine Ratssitzung abläuft . Lion pflichtet ihm bei: „Sowas lernt man im Politikunterricht nicht.“ Jula beeindruckte es, dass die Politiker ihre Rolle so ernstha gespielt haben.
Karina räumt ein, dass sie am Anfang ziemlich aufgeregt gewesen sei. Das habe sich aber gelegt, als sie merkte, dass „jeder seine eigene Meinung sagen durfte“ und damit ernstgenommen wurde. Auch von der Vorbereitung vor einer Woche habe sie profiiert. Die Schüler bekamen von den jungen Mitarbeiterinnen des Vereins spielerisch die Kommunalpolitik erklärt und gaben das dann an andere Klassen weiter. „Ich verstehe das mit den Kommunalwahlen und Parteien jetzt viel besser“, so Karina.
Angetan waren nicht nur die Jugendlichen, sondern auch die Erwachsenen. „Es waren alle sehr engagiert dabei“, bilanzierte KGS-Politiklehrer Thomas Sandkühler. „Die Schüler haben total gut argumentiert“, staunte Alina Schilling von „Politik zum Anfas- sen“. Ratsmitglied Tobias Köster (Grüne) sprach von einem „super Projekt“, Kollege Welf-Heinrich Klaer (CDU) attestierte den Schülern ein „sehr diszipliniertes Verhalten“ und Heinz-Dieter Blümke (SPD) fand es „klasse, wie sie sich eingebracht haben“.
Die 45 Anliegen der KGS- Schüler werden nun nicht im Raum verhallen: Der Hannoveraner Verein will sie mit den Abstimmungsergebnissen an den Stadtrat weiterreichen.
QUELLE: Böhme-Zeitung vom 10.09.2016