In der Ausgabe vom 26. Januar 2020 berichtet der Heide-Kurier über den Musical-Workshop auf dem Landgut Stemmen
KGS-Schüler „Feuer und Flamme“ für „Mamma Mia! – Die Party geht weiter“
Schüler der KGS Schneverdingen legen nach großem Erfolg im vergangenen Jahr eine Fortsetzung nach / Heide-Kurier beim Workshop in Stemmen dabei
Marcus Kautz
„Mamma Mia“ – das ist zwar eine italienische Redewendung, die im Land, wo die Zitronen blühen, umgangssprachlich als Ausruf der Überraschung gebraucht wird, doch es waren zwei Schwedinnen und zwei Schweden, die diese Wortkombination weltberühmt gemacht haben: Im Jahr 1975 erschien das Lied „Mamma Mia“ auf dem dritten Album der Popgruppe „ABBA“ und bescherte Agnetha Fältskog, Björn Ulvaeus sowie Benny Andersson und Anni-Frid Lyngstad einen Nummer-1-Hit in mehreren Ländern. Dieser und etliche weitere „Klassiker“ der Schweden bildeten viele Jahre später das musikalische Gerüst des Musicals „Mamma Mia!“, das die Tophits der berühmten Schweden mit einer schwungvollen Geschichte rund um die Powerfrau Donna und drei ihrer ehemaligen Liebhaber verbindet. Auch dieses Musical wurde, wie sollte es anders sein, rund um den Erdball ein Riesenerfolg. Insgesamt haben es bislang weit mehr als 60 Millionen Menschen gesehen. Einer davon ist Mani Taghi-Khani, Schulleiter der Kooperativen Gesamtschule (KGS) Schneverdingen. Er hat sich das Musical bereits dreimal angeschaut, erstmals im Jahr 2006 in Hamburg. „Auf der Rückfahrt war mir damals klar, dass ich das irgendwann mal mit Schülern auf die Bühne bringen möchte“, so der Schneverdinger. Den Gedanken trug er lange Jahre mit sich herum, bis sich schließlich dank engagierter Mitstreiterinnen und Mitstreiter aus dem Kollegium und Schülerinnen und Schülern, die sich für das Projekt begeisterten, die Gelegenheit ergab. Ein ambitioniertes und durchaus mutiges Vorhaben, zumal sich die ABBA-Lieder durch aufwendige und sehr komplexe Arragements auszeichnen und alles andere als leicht zu singen sind. Doch wer nicht wagt, der nicht gewinnt: Nach intensiven Proben freuten sich alle Beteiligten im vergangenen Jahr über eine umjubelte Premiere im Forum der KGS und vier restlos ausverkaufte Vorstellungen. Die 1.300 Tickets waren damals heiß begehrt und nach nur zwei Tagen vergriffen. Und so gab es für die KGS bei diesem gewagten Unterfangen kein „Waterloo“, vielmehr hieß es für alle Beteiligten „The winner takes it all“. Ist das noch zu toppen? Das wird sich zeigen, denn rund 40 Schülerinnen und Schüler haben sich unter der Leitung von Taghi-Khani und den Lehrkräften Roger Wieneke, Lena Bosselmann, Katharina Teßmer und Uwe Herrmann unter dem Motto „Die Party geht weiter“ auf den Weg gemacht, im Sommer dieses Jahres mit einer Fortsetzung des Musicals noch einen draufzusetzen. Insgesamt fünf Vorstellungen sind geplant. Die Vorbereitungen laufen bereits auf Hochtouren. So gab es vom vergangenen Freitag bis Sonntag einen „Mamma Mia!“-Workshop in Stemmen – und der Heide-Kurier durfte allen Beteiligten fast eineinhalb Tage bei den Proben über die Schulter schauen.
Wer die Musik von ABBA überzeugend auf die Bühne bringen möchte, der kann sich nicht einfach bequem auf seine vier Buchstaben setzen. Da sind vielmehr Engagement, Ehrgeiz und Durchhaltewillen gefragt. Texte müssen gelernt, die mitreißenden Ohrwürmer des Quartetts einstudiert und anspruchsvolle Choreographien wieder und wieder geübt werden. Das aber soll nicht dazu führen, dass die jungen Protagonisten irgendwann entnervt „SOS“ funken. Im Gegenteil: Das Ganze soll vor allem Spaß machen. Und den haben alle Beteiligten, wie sich am Wochenende in Stemmen zeigt. In der entspannten Atmosphäre des gleichnamigen Landguts im Osten des Landkreises Rotenburg (Wümme) verbreiten die Gäste aus der Heideblütenstadt neben dem „ABBA-Virus“ vor allem eines: gute Laune. Da lässt sich sogar das Personal anstecken, denn hier und da läuft eine Mitarbeiterin ABBA-Hits summend und fröhlich beschwingt durchs Haus. Auch die freundliche junge Dame an der Rezeption gibt am Samstag unumwunden zu: „Ich habe einen Ohrwurm!“
Den hat ihr unter anderem das „singende Dutzend“ verpasst, das konzentriert in einem der vielen Konferenzräume des Hotels probt: der Lehrerchor. Als der HK-Redakteur neugierig die Tür öffnet, steht gerade „Super Trouper“ auf dem „Stundenplan“. Kaum intonieren Chorleiterin Gudrun Billmann, die hier am Yamaha-Keyboard den Ton angibt, und die anderen sangesfreudigen Pädagoginnen und Pädagogen das Lied, da ist es auch schon passiert: Das Bein des stillen Beobachters wippt im Takt, der Ohrwurm schraubt sich in Nullkommanichts in den Gehörgang. Gut, dass da ein paar Hintergrundinformationen vom Mitsingen abhalten: „Die Chorpartituren mussten extra für uns geschrieben werden. Das hat ein Klassik-Pianist aus Hamburg gemacht“, erläutert Roger Wieneke und strahlt, den wohlklingenden Tönen der Kollegen lauschend, über das ganze Gesicht.
Deutlich leiser geht es derweil nebenan im Konferenzraum 2 zu. Hier studiert „Regisseur“ Taghi-Khani mit Schülerinnen und Schülern eine Szene aus dem zweiten Akt ein. Auf dem Laptop, das er stets in der Hand oder zumindest in Griffweite hat, ist das Drehbuch gespeichert. Das hat er übrigens selbst verfasst, zumal es von der Fortsetzung des ersten „Mamma Mia!“-Films bekanntlich keine Musicalversion gibt. Dazu hat sich der Schulleiter den zweiten Teil wieder und wieder angesehen, jeden Dialog aufgeschrieben und daraus schließlich das Skript kreiert, um den Film auf die Bühne bringen zu können. Zwei Tage hat das gedauert. Taghi-Khani dürfte nun mit Fug und Recht behaupten, diesen Film „mitsprechen zu können.“ Damit es keine Probleme in Sachen Urheberrecht gibt, haben die Schneverdinger einen darauf spezialisierten Fachanwalt aus Hamburg kontaktiert. Dieser hatte keine Bedenken – unter der Voraussetzung, dass die Lieder in Englisch gesungen werden. Das ist für diejenigen Schülerinnen und Schüler, die bereits im vergangenen Jahr zum Ensemble gehörten, durchaus eine Herausforderung, zumal sie noch die deutschen Versionen der ABBA-Hits „im Ohr“ haben.
Ganz Ohr sind auch die Schülerinnen und Schüler, die im großen Saal des Hotels Tanzchoreographien einstudieren. Um die Musik zu übertönen, ruft „Chefin“ Lena Bosselmann lautstark Anweisungen in den Raum. Schrittfolgen, Armbewegungen, Drehungen, Klatschen – die jungen „Dancing Queens“ und ihre „Kollegen“ folgen konzentriert den Kommandos der Choreographin, setzten ihre Anregungen und Tipps sogleich in die Tat um. Natürlich klappt nicht alles gleich auf Anhieb, doch das tut der guten Stimmung keinen Abbruch. Es wird zwar fokussiert gearbeitet, aber dabei auch viel gescherzt und gelacht.
Fröhliche Gesichter gibt es auch im kleinen Raum nebenan, in dem Musiklehrerin Katharina Teßmer mit drei Schülerinnen am Gesang feilt, wobei die Darstellerinnen gleichzeitig die dazugehörige Choreographie ausprobieren, die bereits ganz gut „sitzt“. Dass sich die Gruppe dazu entschieden hat, den zweiten Film auf die Bühne zu bringen, stellt sie durchaus vor einige Herausforderungen. Die Handlung der Fortsetzung setzt fünf Jahre nach dem ersten Film ein. Es tauchen aber nicht nur neue und bereits bekannte Figuren auf, sondern parallel wird auch die Geschichte von Donna im Jahr 1979 erzählt. Somit sind einige der Rollen doppelt zu besetzten.
Die Hauptdarsteller schlüpfen, bis auf eine Ausnahme, noch einmal in ihre bekannten Rollen. So zum Beispiel Sebastian Mech, der im vergangenen Jahr „Harry“ verkörperte. Für ihn ist das ein „Comeback“ in zweifacher Hinsicht, denn Mech studiert bereits seit Oktober vergangenen Jahres im bayerischen Barmberg Politikwissenschaften und Soziologie. Er hat sich aber von Taghi-Khani und Wieneke dafür begeistern lassen, noch einmal im Musical mitzuspielen.
„Am Freitag habe ich eine Vorlesung geschwänzt, um rechtzeitig beim Workshop sein zu können“, schmunzelt der 18jährige. Die Anreise, klimafreundlich per Zug, ist alles andere als ein Katzensprung, liegt Bamberg doch rund 500 Kilometer von der Heideblütenstadt entfernt. „Bislang bin ich schon 4.000 Kilometer gefahren, um bei den Proben dabeisein zu können. Und es werden noch viele, viele Kilometer mehr“, so der Student. Warum er sich das antue? „Für mich ist das eine Herzensangelegenheit. Die Musicaltruppe ist wie eine zweite Familie. Alle sind Feuer und Flamme. Man wächst zusammen. Das ist ein unfassbar geiler Zusammenhalt und macht viel Spaß – einfach genial. Und die fünf ‚Großen‘ tragen ihren Teil dazu bei“, so der frühere KGS-Schüler. Auch seine beiden Schwestern, die 15jährige Viviane und die zwölfjährige Juliane, sind unter den Ensemblemitgliedern. Letztere wird in der Gruppe liebevoll „Mini-Mech“ genannt und ist genauso begeistert bei der Sache wie ihr großer Bruder: „Es ist einfach toll, mit so vielen Leuten zusammenzuarbeiten. Die Älteren helfen den Jüngeren und auch kleinere Rollen von denjenigen, die keinen Text haben, sind wichtig für das Gesamtbild. Auch die Tänze machen viel Spaß. Man sieht schon jetzt, dass das was Tolles geworden ist.“
Gespannt wie die Flitzebögen kommen alle nach dem Abendessen im großen Saal zusammen, um den im Workshop eingeübten zweiten Akt erstmals gemeinsam mit dem Lehrerchor am Stück durchzuspielen. Dass das noch nicht reibungslos vonstatten gehen kann, ist allen klar, aber das Gesamtpaket ist schon mal grob geschnürt. Nach zwei Durchgängen verabschieden die Schüler den Lehrerchor mit lautstarkem Applaus, wollen aber selbst um 22 Uhr noch nicht aufhören. „Jetzt nochmal eine Runde Zumba“, lautet die Forderung in Richtung von Lena Bosselmann. Und tatsächlich geben alle bei gemeinsamer sportlicher Betätigung bis 23 Uhr noch einmal „Vollgas“. Taghi-Khani und Wieneke sparen bei der Manöverkritik nicht mit Lob. „Chapeau – ich ziehe meinen Hut vor Euch“, sagt der Schulleiter. Dann ist Bettruhe angesagt, denn schließlich soll am nächsten Tag mit vollem Elan weitergeübt werden. Gleich nach dem gemeinsamen Frühstück geht es ans Eingemachte, denn nun sollen erstmals der in der Schule einstudierte erste Akt und der zweite Teil zusammengefügt durchgeprobt werden. Nach dem Mittagessen ist Schluss, erschöpft, aber zufrieden und sicher auch ein wenig stolz treten alle die Heimreise an. „Das Grundgerüst steht, jetzt haben wir noch fünf Monate Zeit, um an den Kleinigkeiten und Feinheiten zu arbeiten“, zieht Taghi-Khani Bilanz.
Ein Workshop dieses Kalibers ist natürlich nicht zum Nulltarif zu haben, sondern kostet „Money, Money, Money“ – 9.000 Euro, um genau zu sein. Dem Schulleiter ist daher wichtig, deutlich zu machen, das dieser Workshop nicht mit Geld aus dem Schuletat finanziert worden ist: „5.000 Euro stammen von einem Sponsor, der uns auch im vergangenen Jahr unterstützt hat und nicht genannt werden möchte“, berichtet Taghi-Khani. 25 Euro habe jeder teilnehmende Schüler beigesteuert, der Rest sei durch Spenden beim Weihnachtskonzert und Überschüsse vom vergangenen Musical zusammengekommen. Aufgeführt wird das Musical „Mamma Mia! Die Party geht weiter“ am 12., 14., 19., 20. und 27. Juni. Die KGS empfiehlt Interessierten, sich rechtzeitig Tickets zu sichern, denn fast 50 Prozent des Kontingents sind bereits weg. Karten können zunächst bis zum 31. Januar per E-Mail unter musical@kgs-schneverdingen.eu bestellt werden. Ab April gibt es dann eine weitere Vorverkaufsphase.