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Pressespiegel

Bühnenerfahrung in Netzstrümpfen

 

Rund 20 Schneverdinger Schüler lernen bei Rockoper Faust den Backstage-Bereich kennen, vier noch etwas mehr

 

VON PHILIPP HOFFMANN

 

Schneverdingen. „Ihr müsst einfach ein bisschen einen auf Hexe machen“, sagt Franziska Reske zu den vier Statisten im Umkleideraum unter der Bühne. Die Tänzerin wackelt ein bisschen mit den Hüften und steckt die Arme in die Höhe. Die Schülerinnen Rieka Gosda, Celina Tolle und Maria Jonuschies tun es ihr nach, nur Adel Fansa zögert. Als einziger Junge im Bunde will er zwar auch die Rolle einer Hexe einnehmen, doch der Hüftschwung, das ist offenkundig nicht sein Ding.

Nebenan gießt der Teufel flüssigen Honig in den Tee. Das schmiere die Stimme, erklärt Falko Illing, der in der Rockoper Faust den Mephisto spielt. Zwei große Thermoskannen voller Gesangstee wird er sich oben auf der Bühne im Schneverdinger Höpental bereitstellen. „Mir bleibt jetzt schon die Zunge am Gaumen kleben“, klagt er.

„Zeit zum Schminken“, ruft Backstage-Managerin Petra Simon durch die Katakomben unter der Bühne. Illing setzt sich an den Tisch, nimmt Töchterchen Irmi auf den Schoß und lässt sich von seiner Frau, Choreografin und Tänzerin Jessica Illing, bedrohliche Schatten ins Gesicht malen.

Derweil füllen sich draußen die Ränge. 450 Schüler allein von der Kooperativen Gesamtschule Schneverdingen, dazu weitere 250 aus Munster und Soltau haben sich angekündigt. Alle finden einen schattigen Platz – sehr zur Erleichterung von KGS-Lehrerin Claudia Menzel. Sie hat für alle Fälle Wasser und Traubenzucker für die Schüler dabei – mehr als 30 Grad sollen es an diesem Freitag werden.

Auf der Bühne dagegen gibt es keinen Schatten, nur ganz hinten, wo die Musiker sitzen, ein wenig. Stolz deutet Produzent Michael Manthey auf Gitarrist Felix Boden. Der habe sich die Schulter ausgekugelt und spiele trotzdem, freut sich der Berliner.

Statisten wirken in der Walpurgisnacht mit

Generalprobe der Walpurgisnacht, der Szene, in der die vier Statisten von der KGS mitwirken. Manthey stellt sich neben Adel und zeigt ihm, wie er beim Tanz um das Feuer seine Arme noch besser einsetzen kann. „Ich habe noch nie so etwas gesehen“, sagt Adel. Der 15-Jährige ist als Flüchtling aus Syrien nach Schneverdingen gekommen. Im Kurs Darstellendes Spiel meldete sich der Zehntklässler als Freiwilliger und darf nun als einer von 19 Schülern hinter die Kulissen der Rockoper schauen und als einer von vieren auf der Bühne stehen.

Rieka und Celina kichern. Netzstrümpfe, Corsage, kurzes Röckchen – die beiden 15-Jährigen kommen sich etwas komisch vor in ihren Kostümen – gerade vor den Mitschülern. Bis zur eigentlichen Vorstellung findet Rieka das richtige Rezept: „Ich schalte im Kopf das Publikum einfach aus.“ Auch die 16-Jährige Maria hat sich an ihr ungewöhnliches Outfit gewöhnt und fühlt sich nun auf der Bühne wohl. „Wenn ich noch einmal gefragt würde, ob ich Statistin sein möchte, würde ich sofort wieder zusagen“, sagt sie. „Ich kann es nur weiterempfehlen.“

Das Faust-Ensemble bindet bei Schüleraufführungen oft Jugendliche ein. Nicht alle kommen in den Genuss, einmal auf der Bühne stehen zu dürfen – zumindest nicht während des Stücks. Karina Böger und Tamira Nayder etwa kommt an diesem Freitagvormittag eine ganz andere Rolle zu: Sie sollen die Bühne wischen. Das macht den Mädchen nichts aus. Es sei „voll geil“, bei Aufbau, Proben und Organisation dabei zu sein, sagt Tamira, „cool“ findet es Karina.

Melina Eggers, Lennard Krieg und Colin Russ helfen Bühnentechniker Lars Schulz, die Bühne mit schwarzem Stoff zu ummanteln. „Passt gut auf in der Schule“, ruft ihnen Katja Uebersalz, die sich um die Beleuchtung kümmert, augenzwinkernd zu. „Dann müsst ihr sowas wie wir später nicht machen.“

Hinter der Bühne knöpft Christian Venzke seine Lederhose noch einmal zu. Lange wird der Faust-Darsteller sie nicht anhaben, sondern sich gleich bis zur Unterhose entblättern. Die Bettszene mit Gretchen, gemimt von Manuela Markewitz aus Norderstedt, der einzigen Norddeutschen im Ensemble, steht an. Sie ist eigentlich nur Gretchen-Darstellerin Nummer drei und erstmals dabei. Nummer eins steht beim Musical „Das Wunder von Bern“ auf der Bühne, Nummer zwei spielt Theater in Hildesheim.

Etwa 60-mal im Jahr läuft die Rockoper, die Schauspieler spielen daneben noch andere Rollen. Lampenfieber haben sie trotz aller Routine immer noch. „Das hat auch was mit dem eigenen Anspruch zu tun“, sagt Venzke. „Ich will immer geil sein, also ein gutes Ergebnis abliefern.“

Neben den Schülern hat noch jemand eine Gastrolle: Detlef Gernegroß mimt in der Walpurgisnacht eine Kardinalsente. Die Rolle hat der Thüringer vom Faust-Ensemble zum 52. Geburtstag bekommen, den er an diesem Tag feiert. Gernegroß ist Vorsitzender des Faust-Fanclubs, verfolgt mit 50 Gleichgesinnten deutschlandweit die Rockoper und hat seinen Urlaub extra so gelegt, dass er in Schneverdingen dabei sein kann.

Noch so ein Faust-Verrückter, Manfred Morawetz, ist ebenfalls im Höpen dabei. Auf seine Idee ging es zurück, dass der Verein Heideblüte, der Stadtjugendring und der Kulturverein die Rockoper nach Schneverdingen geholt haben. An diesem Morgen hat Morawetz Batterien und Blumen mitgebracht – Produzent Manthey hat beides bei ihm geordert. Zwei Tage haben sie die Bühne aufgebaut und darüber solche Kleinigkeiten vergessen.

Im Backstage-Bereich steht Dr. Rudolf Volz. „Ich bin derjenige, der sich das alles ausgedacht hat“, stellt sich der Regisseur und Komponist vor. Er habe „Altes mit Neuem verbinden“ wollen, erzählt er, und ist schon wieder weg, Pyrotechnik auf der Bühne zünden. Ein Stück weiter atmen die Schüler vor dem Schlussapplaus durch. „Es war lustig, aber man hat wahnsinnig geschwitzt“, sagt Rieka. Sie wollte schon immer Schauspielerin werden, erzählt sie. Nun will sie es noch ein bisschen mehr.

 

Artikel aus der Böhme-Zeitung vom 27. August 2016

 

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