Nicht verbieten, sondern anleiten
Ein Fachmann für Mediennutzung rät Eltern, Ihre Kinder beim Umgang mit Handy und Computer zu unterstützen
Von Philipp Hoffmann
Schneverdingen.
Essen, fernsehen, Hausaufgaben machen – immer ist das Handy dabei. Nicht einmal beim Vokabellernen legt das Kind es weg, sondern benutzt es, um Wörter zu verdecken. Denn das Kind hat Angst, etwas zu verpassen: den neuen Eintrag in der Whats-App-Klassengruppe, den Tipp des Freundes für ein Online-Video, die aktuelle Folge des Lieblings-Youtubers. Wie sollen die Eltern reagieren? Das Handy wegnehmen?
Natürlich können Eltern das tun, sagt Ralf Willius. Dennoch rät der Sozialarbeiter davon ab. Willius, Gründungsmitglied des auf Medienerziehung spezialisierten Vereins Smiley aus Hannover, weiß zwar, dass ganz viele Kinder es nicht schaffen, während der Hausaufgaben das Handy wegzupacken. Doch er plädiert dafür, den Kindern Hilfestellung zu geben. „Unser Job ist es, dafür zu sorgen, dass sie es schaffen“, sagte der 40-Jährige am Mittwochabend bei einem Vortrag für Eltern von Fünftklässlern an der KGS Schneverdingen.
Kinder hätten ganz viele Fragen und brauchten Orientierung, so Willius. Zum Beispiel im Hinblick auf den Datenschutz. Für Kinder sei das gar kein Thema. Nicht, weil sie es ignorierten. „Kinder sind unbekümmert, denken nicht nach, wie wir es tun.“ Die Eltern müssten ihren Kindern erklären, was im Internet erlaubt und was verboten sei und in welcher Weise zum Beispiel Whatsapp den Datenschutz umgehe. Das werde sich positiv auswirken: „In dem Moment, in dem Kinder ihre Rechte kennen, fangen sie an, sie einzufordern.“
Niemand fühlt sich auf den Schlips getreten
Kinder beim Umgang mit Handy und Computer nicht allein zu lassen, sondern sich Zeit für sie zu nehmen und Geduld zu haben, das fordert der Fachmann ein. Er tut das auf eine Weise, dass jeder sich persönlich angesprochen, aber nicht auf den Schlips getreten fühlt. Willius ist erfahren in seinem Metier. Er arbeitet seit zwölf Jahren für Smiley, ist täglich in Schulen unterwegs und hat viele Beispiele parat, wie Kinder Medien nutzen – und wie Eltern darauf reagieren.
Da gibt es die Eltern, die ihrem Kind das Handy am Essenstisch verbieten, ihr eigenes aber neben dem Teller liegen haben. Das sei doch „etwas ganz anderes“, sagen sie dann, schließlich brauchten sie das Gerät beruflich. Dem Kind suggeriert das, dass die Eltern ihre Arbeit als wichtiger betrachten als die Freunde des Kindes. Selbst wenn die Eltern Bereitschaftsdienst haben und deshalb das Handy nicht abschalten oder weglegen können, sei es doch möglich, es ein ganzes Stück wegzuschieben, so Willius.
Als ein positives Beispiel führt er eine Familie an, bei der abends alle ihr Handy in eine gemeinsame Handystation legen. Wenn es nicht anders ginge, könnten die Eltern ihre Geräte ja später wieder herausnehmen. In jedem Fall verhinderten sie so aber, dass die Handys ihrer Kinder neben deren Betten noch bis in die Nacht hinein piepsen. Willius wünscht sich in dieser Hinsicht Konsequenz. Wer eine neue Regelung zwei Wochen lang durchziehe, habe auch gute Aussichten auf Erfolg.
Doch dass Youtube spannender sei als Hausaufgaben, lässt sich aus Sicht des Fachmanns auch nicht wegwischen. Im Übrigen lägen Welten dazwischen, wie Erwachsene und Kinder einen Computer wahrnehmen. Für die Erwachsenen sei er ein Werkzeug, mit dem man arbeitet. Kinder sähen in dem Gerät eine „riesengroße Spielwiese“. Wer das im Hinterkopf habe und sich dafür interessiere, was sein Kind am Handy und Computer macht, verfüge über einen Ansatz, die Mediennutzung in den Griff kriegen. Nicht verbieten, sondern anleiten lautet für Willius also die Devise.
QUELLE: Böhme-Zeitung vom 22. September 2017
ZUSAMMENARBEIT MIT SMILEY
Informationsabende und Workshops
Die KGS Schneverdingen hat sich mit „Smiley“, dem Verein zur Förderung der Medienkompetenz aus Hannover, einen Partner ins Boot geholt, um die Schüler im Umgang mit Handy und Computer zu unterstützen. Nach dem Informationsabend für Eltern von Fünftklässlern am Mittwoch folgt Ende November eine ähnliche Veranstaltung für die 6. Klassen. Dabei ist dann auch ein Workshop für Schüler geplant. In Jahrgang 8 soll dies ebenfalls geschehen. Wenn sich das Angebot bewährt, soll es in den nächsten Jahren wiederholt werden. ph